Verfahren Bundesverfassungsgericht 2 BvL 21/17 – Besoldung Berliner Landesbeamte

Die Gewerkschaft Verwaltung und Verkehr freut sich über und begrüßt den Erfolg eines seiner Mitglieder vor dem Bundesverfassungsgericht, der vielen Berliner Beamtinnen und Beamten zu Gute kommen wird. Die Beamtin war bei Einreichung der Klage 35 Jahre alt und im Gesundheitsamt im Bereich des Infektionsschutzes tätig. Sie war dort u.a. für die Gesundheitsaufsicht über gastronomische Betriebe zuständig. Die Klägerin hat währenddessen ihre damals 11- und 13-jährigen Kinder allein erzogen und unterhalten. Dabei lag ihre Besoldung in der Besoldungsgruppe A 7 jahrelang nur knapp über dem Sozialhilfeniveau. Das bedeutete: weil sie sich eine größere Wohnung in Berlin auch am Stadtrand nicht leisten konnte und ihren Kindern jeweils eigene Kinderzimmer einrichten wollte, hat sie jahrelang im Wohnzimmer auf der Couch geschlafen. Sie hat auf Urlaubsreisen, ein Auto und andere Annehmlichkeiten verzichtet, obgleich sie nicht in der niedrigsten Laufbahn und einer der untersten Besoldungsgruppen eingestuft war, sondern im mittleren Dienst.

Von 2004 bis 2009 blieb die Anpassung der Besoldung in Berlin, das nach der Föderalismusreform die Besoldung seiner Beamten ab 2006 selbst geregelt hat, deutlich hinter der Geldentwertung zurück, während die Sonderzahlung (Weihnachtsgeld) und Beihilfeleistungen für den Krankheitsfall gekürzt oder ganz gestrichen wurden. Das Einkommen vieler Beamter sank in Berlin gemessen an der Kaufkraft des Geldes in dieser Zeit nach unserer Berechnung um fast 2 Prozent jährlich.

Währenddessen wurde die Besoldung im Bund und in vielen Ländern zumindest in dem Maße des Preisanstiegs erhöht, teilweise deutlich darüber. Die Gehälter in- und außerhalb des öffentlichen Dienstes stiegen im gleichen Zeitraum im Schnitt zwischen 6 und 8 Prozent an, die Bezüge der Abgeordneten in Berlin um fast 10 Prozent – begründet übrigens mit dem Preisanstieg und der allgemeinen Lohn- und Einkommensentwicklung.

Weil die Klägerin als Beamtin nicht streiken darf, hat die Gewerkschaft Verwaltung und Verkehr sie bei ihrer Klage über drei Instanzen unterstützt.

Die Klägerin war nach 16 Jahren nun vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich. Das hat entschieden, dass die Besoldung des GVV-Mitgliedes und der meisten Berliner Beamten von 2008 bis 2020 verfassungswidrig zu gering war. Die Besoldung soll laut Verfassungsgericht mehr sein als eine soziale Mindestsicherung. Sie sollte über das zum Leben unbedingt Erforderliche hinausgehen, für Beamte und ihre Kinder. Das Gericht hat dafür einen Vergleich mit der statistischen Größe Median-Äquivalenzeinkommen angestellt. Die Besoldung sollte 80 Prozent des Mittelwertes des nach dem Bedarf gewichteten Einkommens der Gesamtbevölkerung nicht unterschreiten. Diese „Prekariatsschwelle“ sei hier jahrelang unterschritten worden.

Die Besoldung sollte auch nicht von der allgemeinen Lohn- und Preisentwicklung abgekoppelt werden, so das Gericht. Die Tätigkeit im öffentlichen Dienst sollte finanziell so attraktiv bleiben, dass qualifizierte Menschen für den öffentlichen Dienst gewonnen und dort gehalten werden können. Beamte sollten nicht auf Nebeneinkünfte oder gar auf Sozialleistungen angewiesen sein, um sich und ihre Familien angemessenen unterhalten zu können. Eine angemessene Besoldung sei auch entscheidend für die Qualität der Arbeit im öffentlichen Dienst und nicht zuletzt eine wirksame Korruptionsprävention. Das Land Berlin sei seiner Gestaltungsverantwortung insoweit jahrelang nicht nachgekommen.

Anfragen dazu bitte an:

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Klaus-Dietrich  Schmitt, Vorsitzender